Ilse und Thea

Zwei muntere Damen erzählen aus ihrem Leben

Sie gehen im Schillerkiez spazieren, einkaufen und kehren in Cafés und bei Waldemar im »Schillers« ein: Ilse und Thea, zwei agile Witwen, über achtzig Jahre alt. Auffällig ist schon ihre bunte, durchaus elegante Kleidung, vor allem die Kopfbedeckungen. Ilse trägt Baskenmützen in verschiedenen Farben, Thea selbst gehäkelte Mützen in Blautönen. Sie machen sich den Lebens­abend so angenehm wie möglich. Ihre Lebensgeschichten lassen sich nur im Zeitraffer zusammen fassen.

Schicke Hüte auf pfiffigen Witwenköpfen.                                                                                                 Foto: th

Als Kinder erlebten sie den Zweiten Weltkrieg, Ilse in Berlin, Thea in Schlesien auf »Landverschickung«. Ilses Mutter starb im Alter von 24 Jahren. »Mein Vater wurde eingezogen und abgeschossen. Ich wuchs bei meiner Großmutter auf. Es ist nicht schön ohne Familie. Die Mutter meiner Mutter lebte in einem Altenheim, Ihre Spuren verlieren sich, über den Suchdienst des DRK konnten wir nichts heraus finden. Dieser Hitler, da mag man gar nicht dran denken!« Sie ist Sozialdemokratin und sagt: »Zum Glück hatten wir so lange keinen Krieg, ich träume immer noch von brennenden Häusern. Der achte Mai war für mich eine Befreiung.«
Beide gründeten ihre eigenen Familien. Ilse hat drei Kinder, Thea zwei, ihre Tochter ist leider verstorben. »Beim dritten Kind sagte ich meinem Mann, dass ich zu Hause bleiben würde. Das hat er eingesehen.« Ilse ist gelernte Hutmacherin, »meinen Gesellenbrief habe ich in Leder binden lassen.« Da ihr Mann bis zum Rentenalter und sie ebenfalls gearbeitet hatte, sei ihre Rente »auskömmlich«. Thea hat nach dem Tod ihres Mannes ihre neuen Lebensgefährten nicht geheiratet. Sie arbeitete angelernt in verschiedenen Feldern, darunter im Verkauf und in der Kabelproduktion. Heute ist sie auf Grundsicherung angewiesen.
Das frühere Leben in der Freizeit nach der Arbeit haben beide in guter Erinnerung. Es wurde viel gefeiert, es gab Ausflüge, vor allem wurde viel getanzt. In ihren Erzählungen wird zum Beispiel die »Neue Welt« an der Hasenheide wieder lebendig, auch die dortigen Wasserspiele und der Schießstand. Ilse: »Das Schießen an der Bude konnten die Männer nicht lassen, und dann machten sie uns Geschenke, die sie da gewonnen haben.«
Wie sieht heute der Alttag aus. »Ist doch schön, dass wir immer unterwegs sind. In der Wohnung ist es so langweilig«, freut sich Ilse. »Abends schaue ich dann noch Fernsehen.« Schon tauschen die beiden sich über ihre Lieblingsschauspieler und -schlagersänger aus, Die meisten sind verstorben. Ilse zu Thea: »Du sprichst die Leute ja auf der Straße an. Ich bin immer tanzen gegangen.« »Wenn ich Dich nicht angesprochen hätte, würden wir uns ja gar nicht kennen«, schmunzelt Thea. Das ist eine ihrer geringeren Meinungsverschiedenheiten, von denen es einige gibt, doch die Gründe werden hier nicht genannt.

th